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Spielen Sie manchmal?

Oder halten Sie das Spiel für eine vorwiegend kindliche Betätigung, eines gereiften Erwachsenen unwürdig? Aber das ist nicht anzunehmen; Sie hätten es sonst mit einiger Sicherheit weit von sich gewiesen, ein Spielebuch auch nur in die Hand zu nehmen und aufzuschlagen. Deshalb gehen wir also getrost von der Annahme aus, daß Sie dem Spielen nicht abhold sind. Damit wären wir also unter uns. Der Autor atmet erleichtert auf, weil er der Notwendigkeit enthoben ist, diese Einfuhrung mit einem Lobgesang auf das Spielen zu beginnen: Sie wissen längst, daß das Spiel, gleichgültig, ob unter oder mit Kindern und Erwachsenen, mehr sein kann und muß als ein Zeitvertreib für unausgefüllte Stunden. Das soll nicht heißen, daß man sich mit Spielen nicht köstlich die Zeit vertreiben könnte. Aber das Spiel hat eben meh­rere Funktionen. Sehr kluge Leute haben über diese «Vielgesichtigkeit» des Spielens dicke Bücher geschrieben. Einige dieser zahlreichen Gesichtspunkte werden Sie viel­leicht interessieren.

Um ganz gelehrt zu«beginnen: das Wort «Spiel» kommt schon im Althochdeutschen vor; damals war aber nur der Tanz damit gemeint, zu dem der Spielmann aufspielte. Später wurde der Begriff umfassender angewandt. Eine Lexikondefinition unserer Tage besagt: «Spiel ist jede in der Regel gesellige Tätigkeit, die aus Freude und Funktionslust an dieser Tätigkeit selbst geschieht, verbunden mit der Freude an ihrem gegenständlichen Inhalt und Ergebnis.» Das ist sicherlich sehr korrekt ausge­drückt, aber es klingt doch ein bißchen wie «Spiel macht Spaß, weil man sich dabei darüber freut, daß es Spaß macht».

So kommen wir also nicht weiter. Liebenswürdigere Umschreibungen, was es mit dem Spiel auf sich hat, haben zwei niederländische Kulturhistoriker geliefert. Sie ergänzen einander. F. J. J. Buytendijk erklärte: «Brot und Spiel braucht der Mensch; Brot, um zu wachsen und zu existieren, Spiel, um diese Existenz zu erleben.» Und Johan Huizinga grenzte ab: «Um wirklich zu spielen, muß der Mensch, solange er spielt, wieder Kind sein.» Zwei überraschende Feststellungen! Wer nicht spielt, lebt ein erlebnisärmeres Leben, besagt die eine. Und die andere: Wer nicht mit der Un­befangenheit eines Kindes spielt, bei dem kann man gar nicht von Spiel reden. Man könnte beiden Feststellungen mit guten Gründen widersprechen. Buytendijk rechtfertigt mit seinen Worten natürlich auch das passive Spielerlebnis. Wer sich ein Fußballspiel oder eine Fernsehsendung anschaut, kann durchaus auch eine Bereiche­rung seiner Existenz erleben. Diese Art Spielerlebnis, das sei ausdrücklich betont, hat dieses Buch aber nicht auf seine Fahnen geschrieben. Im Gegenteil! Andererseits müßte man nach der Theorie Huizingas alle unkindlichen Spiele verbannen. Bridge, Skat, Fußball, Golf, Billard wären schon keine Spiele mehr, sondern mit raffinierten und strengen Regeln ausgestattete Kunstprodukte; viel zu ernsthaft, um den Namen Spiel noch zu verdienen. Auch das ist nicht der Sinn dieses Buches, wie Ihnen das Alphabetische Verzeichnis beweisen wird. Spiel soll nicht in Ernst ausarten, das ist richtig - aber wenn man es, wie der Theologe Hugo Rahner, als «Einübung auf den Ernst hin» betrachtet, kann man auch die «überkultivierten» Spielformen nicht aus­schließen.

Vom kindlichen Spiel zum kindischen Spiel ist es nur ein kleiner Schritt. Kinder be­ginnen kindisch zu spielen, wenn sie sich bei einem Spiel langweilen. Bei Erwachse­nen ist es nicht anders, geborene Alberer vielleicht ausgenommen. Es ist gut, wenn man das weiß. Denn erstens kann man sein Spielprogramm darauf abstellen, und zweitens lassen sich aus der Art, wie jemand sich beim Spielen verhält, interessante psychologische Rückschlüsse ziehen: Sage mir, wie (und was) du spielst, und ich will dir sagen, wer du bist. Aber diese Abwandlung des bekannten Sprichwortes sollten Sie besser nicht wörtlich nehmen. Sagen Sie Ihren Mitspielern lieber nichts, was im­mer Ihnen aulgefallen sein sollte. Doch treiben Sie ruhig Ihre Beobachtungen. Bei Kindern sind sie nicht minder aufschlußreich als bei Erwachsenen. Schnell stellt sich beim Spiel heraus, wer ein ewiger Besserwisser, wer ein «Spielmacher», ein Spiel­verderber, ein Mauerblümchen oder eine «beleidigte Leberwurst» ist. Mehr noch: Manches Spiel enthüllt nicht nur diese oder jene Charakterschwäche oder -stärke, es eignet sich auch großartig dazu, eben diese (auf die Dauer) sanft, aber mit Nachdruck zu korrigieren. Denn das Spiel ist auch mit ausgleichenden, abschleifenden, zum Sozialwesen erziehenden Funktionen behaftet. In der Regel zwingt das Spiel dazu, mit dem Partner oder mit mehreren Mitspielern auszukommen. Das kann eine groß­artige «Schule für das Leben» sein.